Erdorchideen-Exkursion in Südwest-Australien Von Ursula Schrappe, Weilheim

Den ersten Anstoß zu dieser Reise bekam ich durch einen Dia-Kurzvortrag von Herrn Dieter Frank beim Arbeitskreis Heimische Orchideen Bayern. Die australischen Orchideen sind ganz anders geformt als unsere europäischen. Da es außerdem viele andere interessante Pflanzen und Tiere gibt, war ich neugierig geworden auf diesen Erdteil.

Reisedauer:
25 Tage


Australis ist eines der sieben Florenreiche unserer Erde. Da sich Australien schon vor etwa 120 Millionen Jahren vom Rest von Gondwana trennte, entwickelten sich Flora und Fauna eigenständig und unterscheiden sich dadurch stark von denen der übrigen Erdteile. In Australien kommen ca. 20.000 Pflanzenarten vor, von denen etwa 80% endemisch sind. Für das Land werden 15.000 Arten Blütenpflanzen angegeben. Etwa 7.000 davon sind in Westaustralien zu finden, darunter die meisten Erdorchideen des Landes.

Etwa zwei Monate nach dem Diavortrag lernte ich Herrn Dirk Schmidt von "Terra Australis Reisen" kennen, der in Perth lebt und Reisen durch Australien organisiert. Er bot an, sich vor Ort um kundige Führungen und günstige Reisezeiten zu kümmern. So stand dann etwa drei Monate später die vorläufige Planung unserer Exkursion fest: Da die Hauptblütezeit im Frühjahr (unserem Herbst) liegt, wurde die Zeit auf Mitte September bis Anfang Oktober gelegt. In der ersten Woche sollte eine Exkursion nördlich von Perth durchgeführt werden, in der zweiten Woche Ausflüge und Besichtigungen von Perth aus. Die dritte Woche war für die Exkursion in den Raum süd- und südöstlich von Perth vorgesehen.

Wir waren 17 Reiseteilnehmer und flogen am 12. September von München bzw. Frankfurt über Kuala Lumpur nach Perth - Ankunft am 13. September. Am nächsten Tag (er war zur Eingewöhnung vorgesehen) fuhren die meisten von uns mit dem Bus zum Kings Park, der größtenteils naturbelassenes Buschland ist. Hier wurden schon die ersten fünf Orchideenarten gefunden, darunter die besonders schöne Arachnorchis arenicola (eine Spider Orchid), Diuris magnifica, Caladenia flava (Cowslip Orchid) u.a. Man bekam auch einen ersten Eindruck von einem Eucalyptuswald. Die Eucalypten wachsen locker (nicht so dicht wie unsere Waldbäume), ihre Blätter hängen senkrecht, so dass genügend Licht und Luft für Unterwuchs bleibt. So gibt es in den Wäldern zahlreiche Blütenpflanzen. Besonders auffällig war Hypocalymma robustum (ein rosafarbener Myrtenstrauch), der in voller Blüte stand.

Am 15. September begann unsere erste Exkursionswoche. Unser Busfahrer Ray kannte sich sehr gut in der Tierwelt aus und hielt an, wenn eine Echse über die Piste kroch. So konnten wir einen Shingleback Lizard (Tannenzapfenechse mit blauer Zunge) und einen Dornteufel fotografieren. Unser Begleiter Bill Burton - für Orchideen zuständig - führte uns zu den entsprechenden Fundorten. Er hatte gute Arten- und Biotopkenntnisse. Die Exkursionsroute führte nördlich über Moora - Jurien - Dongara - Geraldton bis Kalbarri und zurück über Dalwallinu nach Perth.

Nördlich von Perth befindet man sich in der Swan-Ebene mit sandigem und nährstoffarmem Boden. Die Pflanzen sind in erster Linie Akazien, Familie Mimosaceae, und Scaevola-Arten. Die nördliche Sandebene schließt sich an mit niedriger Buschvegetation aus Akazienarten und vielerlei Myrtengewächsen. Etwa 80 km nördlich von Perth bis ca. 240 km südlich erstreckt sich die Darling Range, der wichtigste Inlands-Gebirgszug des Westens. Weiter östlich befindet sich das größte Weizenanbaugebiet Australiens mit Zentrum Dalwallinu. Begeistert haben uns unterwegs auch die verschiedenen Kängurupfoten, Leschenaultia-Arten und Grasbäume.

Schon am 1. Fundort entdeckten wir Cyanicula gemmata, eine blaublühende Orchidee. Sie war sehr klein, aber alle waren begeistert. Am Fundort 4 folgte die Elythranthera brunonis (purpurfarbene Lackorchidee). Sie hat eine blauviolette Farbe und glänzt wie frisch lackiert. Das war ein guter Anfang, aber leider hatte es in den vergangenen Wintermonaten (Mai bis August ist die einzige Regenzeit) zu wenig geregnet, so dass wir fast nur in Nähe der Flüsse - Gebiet des Arrowsmith River, Hill River und Murchison River - mehrere Orchideenarten fanden; dafür faszinierte die "Begleitflora" von Banksien, Grevillien, Leschenaultia-Arten u.a. Nachdem wir zahlreiche Biotope ohne Orchideenfunde durchsucht hatten, fuhren wir zum Schluss zum Neerabup Nationalpark, wo Bill Fundstellen kannte und wir 13 Orchideenarten fanden. Darunter befand sich Prasophyllum giganteum, das eine Höhe bis zu 120 cm erreicht, einen dicken, fast schwarzen Stengel und sehr schöne Einzelblüten hat.

Insgesamt wurden in der ersten Woche 40 Orchideenarten blühend gefunden. Sie gehörten zumeist zu den Gattungen Arachnorchis, Caladenia, Cyanicula, Diuris, Elythranthera, Microtis, Prasophyllum, Pterostylis, Pyrorchis und Thelymitra. Neben den Pflanzen gab es auch eindrucksvolle Landschaften wie die Pinnacles, die Murchison-Schlucht u.a. zu sehen. Die Pinnacles sind bizzar geformte Kalksteinfelsen, die in großer Anzahl und unterschiedlicher Höhe in einer weiten Sandebene stehen. Der Murchison River hat sich auf einer Länge von ca. 80 km tief in die Landschaft eingegraben. Faszinierend ist der Blick über den mäandernden Flusslauf und in die tiefen Schluchten der Rotsandsteinschichten.

Am ersten Tag der zweiten Woche fuhr uns Dirk noch einmal zum Neerabup-Park. In den nächsten Tagen folgten eine Stadtbesichtigung sowie ein Ausflug auf die Insel Rottnest Island, wo die Quokkas, eine endemische Beuteltierart, leben. Am vierten Tag machten wir eine Tagestour zum Wave Rock, einem großen Granitfelsen, der auf ein Alter von 3 Milliarden Jahren geschätzt wird. An seinem Ende sieht er aus wie eine riesige Welle (15 m hoch) kurz vor dem Brechen mit Streifen in Ocker, Rost und Grau. Natürlich haben wir dort auch botanisiert und dabei vier Orchideenarten entdeckt. Am letzten Tag dieser Woche fuhr Ray uns mit dem Bus in verschiedene interessante Gebiete nahe Perth. Im Kalamunda Nationalpark und im Gooseberry Hill Nationalpark fanden wir einige für uns neue Orchideenarten.

Am 28. September begann die Exkursionsfahrt im Gebiet süd- und südöstlich von Perth. Unsere Route führte über Katanning - Bremer Bay und in Küstennähe weiter über Albany - Margaret River - Busselton nach Perth zurück. Im Südwesten Australiens fanden wir, bedingt durch die größere Niederschlagsmenge und nicht so hohe Temperaturen, eine wesentlich artenreichere Flora vor. Im Küstenbereich wachsen salztolerierende Pflanzen. Weiter entfernt kommen wieder Akazien (Mimosen- und Rosenapfelgewächse wie Hibbertia-Arten), auch Liliengewächse in großen Artenzahlen dazu. Besonders auffällig sind in einigen Gebieten des australischen Buschlandes die Grasbäume. Sie blühen sehr selten (im Abstand von bis zu 15 Jahren), aber häufig nach einem Buschbrand. Zwei Arten konnten wir blühend fotografieren. Das war der Xanthorrhoea preisii, früher Black Boy genannt wegen seines meist schwarz verkohlten Stammes, und der Kingia australis (Trommelschlegel-Grasbaum). Im Südwesten sind die Niederschläge ergiebig genug, dass Jarrah-Wälder (Eucalyptus marginata) gedeihen können. Im niedrigen Unterwuchs findet man die Kängurupfoten (es gibt 63 Arten), Hakea-, Grevillea-, Hovea-, Scaevola-Arten und Orchideen, welche besonders zahlreich sind. Im Süden sollte man noch die Stirling Range (einen Gebirgszug) erwähnen wegen der besonders reichhaltigen Flora mit ca. 550 Arten. Aber auch die Region um Albany, wo sich drei botanische Zonen kreuzen, wird mit ca. 4.000 Wildblumenarten angegeben.

Unsere Exkursion war vor allem auf Orchideen ausgerichtet, und danach hatte Bill die Fundorte ausgewählt. Am ersten Tag fanden wir die seltene Calochilus aff. robertsonii (Bart-Orchidee); sie hat eine Lippe wie ein langer, brauner Bart. Auch andere für uns neue Arten der Gattungen Arachnorchis, Caladenia, Diuris, Prasophyllum und Paracaleana kamen hinzu. Es gab im Unterwuchs der Eucalyptuswälder die schönsten Blütenteppiche im Gegensatz zum trockenen Norden. Am nächsten Tag fuhren wir von Katanning Richtung Stirling Range und fanden wieder neue Arten. Darunter waren Drakonorchis barbarossa (Dragon Orchid) mit einer dicht behaarten Lippe und Arachnorchis falcata (Fringed Mantis Orchid), die sehr interessant geformt ist. Eine Wanderung im Gebiet der Stirling Range musste leider wegen strömenden Regens ausfallen. So fuhren wir weiter bis zum Motel in Bremer Bay. Am nächsten Morgen wurden die Orchideen fotografiert, die wir am Tag zuvor im starken Regen gefunden hatten. Dann ging die Fahrt Richtung Albany weiter zu fünf Fundorten mit wieder neuen Arten. Westlich von Albany hatten wir die Gelegenheit, die seltene Kannenpflanze Cephalotus follicularis (Endemit) zu fotografieren. Danach besichtigten wir den Karriwald (Eucalyptus diversicolor). Die Karribäume benötigen einen Niederschlag von über 1000 mm pro Jahr und gehören zu den drei höchsten Hartholz-Baumarten der Welt mit bis zu 90 m. Außerdem ist der Red Tingle (Eucalyptus jacksonii), der einen sehr großen Stammdurchmesser erreicht, dort häufig. Nach dem Besuch zweier weiterer Biotope fuhren wir nach Manjimup ins Motel. Von da aus führte die Exkursionsroute über den Margaret River nach Busselton, wo wir an den verschiedenen Biotopen bis zu zehn Orchideenarten fanden. Von Busselton aus suchten wir sieben Fundorte auf. Besonders schön war die strahlendweiße Arachnorchis nivalis (Exotic Spider Orchid) mit roter Lippe in der Dünenlandschaft am Meer im Leeuwin-Naturaliste Nationalpark.

Am 4. Oktober fuhren wir von Busselton zurück nach Perth, natürlich mit entsprechenden Biotop-Stops. Einige von uns traten am übernächsten Tag eine Verlängerungsreise mit Dirk an; der größte Teil der Gruppe flog am nächsten Tag, dem 5. Oktober, nach Deutschland zurück.

Wir fanden in den zwei Exkursionswochen insgesamt 115 blühende Orchideenarten bzw. -unterarten. Am stärksten verbreitet ist die Gattung Arachnorchis. Diese Arten sind sehr schwierig zu bestimmen. Besonders faszinierend fanden wir z.B. Arachnorchis falcata und attingens. Sie erinnern an die Stellung einer "Gottesanbeterin", und so lautet auch der englische Trivialname: Mantis Orchid. Außerdem fanden wir Orchideen der Gattungen Caladenia, Calochilus, Cyanicula, Diuris, Drakaea, Drakonorchis, Elythranthera, Jonesiopsis, Leptoceras, Lyperanthus, Microtis, Paracaleana, Prasophyllum, Pterostylis, Pyrorchis und Thelymitra.

Besonders interessant für uns war die Gattung Paracaleana (Duck Orchid), weil diese eine ganz besondere Art der Bestäubung vollzieht. Die Pflanzen besitzen einen langen Stengel wie ein Grashalm, Sepalen und Petalen sind eng anliegend. An einem kurzen Stielchen, das ein Gelenk besitzt, ragt die Lippe aus der Blüte heraus. Sie sieht aus wie eine kleine Wespe und ist mit Drüsen besetzt, die den Duft (Sexuallockstoff) des weiblichen Insekts ausströmen. Wenn sich ein Wespenmännchen, meist mit Pollinien beladen, darauf setzt, klappt die Lippe um und die Wespe wird auf die Narbe geschleudert. Dabei bleiben die Pollinien dort kleben und das Insekt wird gleichzeitig beim Herausschlüpfen neu mit Pollinien bestückt. Durch Berühren des "Schnabels" einer Paracaleana konnten wir diese "Taktik" leicht nachvollziehen. Bei der Gattung Drakaea (Hammer-Orchidee) funktioniert die Bestäubung ähnlich: Das Wespenmännchen umklammert das vermeintliche Wespenweibchen und will mit ihm davonfliegen. Dabei ist durch das Gelenk die Richtung vorgegeben, und die Wespe landet auf der Säule.

Bei der Bestimmung der Orchideen half uns Bill mit seiner langjährigen Erfahrung. Trotzdem blieb bei der Vielzahl der Arten noch manches ungeklärt. Wir bekamen in den drei Wochen einen guten Einblick in die faszinierende Orchideenwelt West- und Südwest-Australiens.